OECD erkennt Missbrauch durch den WWF nicht an

© Lambert Coleman

von Stephen Corry, Direktor von Survival International

Wie eng sind Regierungen und große Naturschutzorganisationen miteinander verwoben? Und inwieweit werden fundamentale Menschenrechte – besonders die machtloser Minderheiten – durch eine Linse des Eigeninteresses betrachtet, die durch Selbsttäuschung getönt ist? Und was passiert, wenn sie herausgefordert werden?

Survival International ist einigen Antworten zu diesen Fragen nähergekommen, nachdem es sich an einem Verfahren der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beteiligt hat. Survival legte der OECD Beweise dafür vor, dass der World Wildlife Fund (WWF) mit der kamerunischen Regierung zusammengearbeitet hat, um Baka-„Pygmäen“ von ihrem angestammten Land zu vertreiben und sie schließlich davon fernzuhalten.

Nicht hinter der Ohnmacht der Partnerregierungen verstecken

Die Schweizer Regierungsstelle, die damit beauftrag ist die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu fördern, veröffentlichte am 21. November 2017 eine „Abschlusserklärung“ zu diesem Thema. Der Zweck der Leitsätze ist es, auf „verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln“ zu drängen, das „im Einklang mit … international anerkannten Standards“ steht.

Das bedeutet, dass Unternehmen Verantwortung für alle negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten übernehmen müssen – und nicht einfach nur vermeiden sollen, Menschen direkt zu schädigen. Gemäß den Leitsätzen kann ein Unternehmen diese Verantwortlichkeiten nicht umgehen, indem es sich hinter der Tatsache versteckt, dass es innerhalb des lokalen Rechts handelt. Es kann auch keine Ohnmacht angesichts der Handlungen einer Partnerregierung beanspruchen. Das Unternehmen muss stattdessen eigene Systeme einrichten, um sicherzustellen, dass seine Aktivitäten nicht zu Verstößen führen.

Die OECD-Leitlinien und die Menschenrechte im Allgemeinen sind nur dann sinnvoll, wenn sie als „über“ der nationalen Gesetzgebung betrachtet werden. Warum? Weil Länder Gesetze haben, die Menschen schaden: Südafrikanische Apartheid; Nazi-Gräueltaten in Europa; Amerikanische Verbote der interkulturelle Ehe; und unzählige andere – alle vollkommen „legal“ nach ihren nationalen Gesetzen.

Diejenigen, die die OECD-Leitsätze für gut halten, aber denken, dass sie nicht viel erreichen – Amnesty International etwa kam für die Umsetzung in Großbritannien zu dem Schluss, dass sie für den Zweck nicht „geeignet“ seien – werden ihre Position nach dem vorliegenden Fall von Survival bestätigt sehen.

Wir reichten vor fast zwei Jahren in der Schweiz (wo der WWF seinen Hauptsitz hat) eine offizielle Beschwerde über die Arbeit des Naturschutzgiganten ein. Unsere Beweise zeigten, dass WWF-Projekte zur Vertreibung der Baka und zum dauerhaften – oft gewaltsamen – Missbrauch ihrer Rechte führten. Die Lage war so schlecht, dass sogar das fein verflochtene Gefüge ihrer Gesellschaft und Identität bedroht war – und es immer noch ist.

Die Beschwerde wurde damals bei dem Nationalen Kontaktpunkt (NKP) eingereicht, der Stelle, welche „die Beachtung der Leitsätze“ fördern soll. Es ist dieselbe Stelle, die nun ihren „Abschlussbericht“ veröffentlicht hat. Das Problem ist, dass eine sorgfältige Begutachtung des Falles eine offensichtliche Tendenz des NKP zugunsten des WWF zeigt.

Offensichtliche Tendenz zugunsten des WWF

Die Beschwerde von Survival konzentrierte sich auf die Behandlung der Baka in Kamerun durch den WWF, könnte aber in ähnlicher Weise auch für andere große Naturschutzorganisationen in vielen anderen Ländern gelten (1). Survival International beschrieb, wie der WWF die lokalen Baka ignorierte, als die Organisation mit der Regierung kollaborierte, um ihr Land in Schutzzonen und Trophäenjagdgebiete aufzuteilen – große Teile des Waldes wurden auch als Zugeständnisse an Holzfirmen vergeben, von denen einige mit dem WWF zusammenarbeiten. Survival berichtete von systematischen Misshandlungen der Baka durch Parkwächter, die es einfacher finden arme Einheimische zu beschuldigen und zu schlagen, statt die Probleme anzugehen, die wirklich hinter Wilderei stecken – Korruption von hochrangigen Regierungsbeamten, wobei oft Wildhüter selbst involviert sind, viele mit Ressourcen die vom WWF stammen.

Der NKP nahm den Fall 2016 an, wenn auch widerwillig: Survival musste detaillierte juristische Argumente vorlegen, um zu zeigen, dass der WWF zweifellos ein „multinationales Unternehmen“ im Sinne der OECD-Definition ist. Die Annahme des Falls war ein beispielloser Schritt, der signalisierte, dass große NGOs denselben Menschenrechtsverpflichtungen unterliegen müssen wie jedes andere multinationale Unternehmen auch – so weit, so gut.

Aber nach 18 Monaten des Hin und Her zog sich Survival aus dem Prozess zurück, weil sich der WWF weigerte sicherzustellen, dass die Baka zugestimmt hatten, wie die sogenannten Schutzgebiete, in denen sie einst lebten, heute verwaltet werden.

„Vereinbarungen“ spiegeln die Position von Survival nicht wider

Die Abschlusserklärung des Schweizer NKP erwähnt jedoch mit keinem Wort, warum Survival sich aus dem Prozess zurückgezogen hat. Schlimmer noch, Survivals umfassende Beschwerden über den Missbrauch der Baka durch Wildhüter sind auf einen Minimalanteil geschrumpft. Laut des Abschlussberichts sagt Survival, dass Wildhüter „zur Rechenschaft gezogen werden sollten, falls sie (…) Gewalt gegen die Baka anwenden“ (Hervorhebung des Autors). Was wir eigentlich und mehrfach sagten, war, dass die vom WWF unterstützten Parkwächter die Baka tatsächlich misshandeln – und dies seit mindestens fünfzehn Jahren. Die Gewalt ist „systematisch und weitgehend unkontrolliert“, aber darauf findet sich kein Hinweis in dem Abschlussbericht.

Auch andere Dinge sind verzerrt und nur sichtbar für diejenigen, die den Fall genau kennen. Etwa wird im Abschlussbericht nicht erwähnt, dass der WWF dem NKP fälschlicherweise mitteilte, dass er Gespräche mit Survival außerhalb des OECD-Prozesses führe. Dies hielt den Prozess monatelang auf. Warum hat der NKP dem WWF geglaubt und nicht stattdessen auch Survival befragt? Der NKP behauptet zu Unrecht, dass am Ende der Mediation eine „gemeinsame Vereinbarung erzielt wurde“. Das stimmt nicht. Der Abschlussbericht bezieht sich auch auf die „Ausarbeitung eines Vertraulichen Gemeinsamen Ergebnisses", erwähnt jedoch nicht den wirklichen Grund für Survivals Rückzug aus dem langwierigen und vergeblichen Versuch sich auf ein solches zu einigen.

Arbeit des WWF bedroht die Existenz der Baka als indigenes Volk

Was die Schlusserklärung als „Vereinbarungen“ postuliert, spiegelt die Position von Survival nicht im Geringsten wider. Darin ist etwa zu lesen, dass Survival „zustimmen“ würde, dass der WWF „seine Unterstützung fortsetzt, um die Baka in Bezug auf das Land, auf das sie angewiesen sind, zu stärken“. Tatsächlich wissen wir, und haben es dem NKP wiederholt klar gemacht, dass der WWF das Gegenteil getan hat. Die Naturschutzorganisation ist Teil der anhaltenden Vertreibung der Baka. Alle ernstzunehmenden Berichte, einschließlich eines vom WWF in Auftrag gegebenen und dann wiederum unterdrückten Berichtes, bestätigen, dass die Baka niemals der Aufteilung ihres Landes zugestimmt haben, dass sie von den Wildhütern misshandelt werden und dass die so genannte Grundsatzerklärung des WWF für den Umgang mit Indigenen rundweg ignoriert wurde. Große Naturschutzorganisationen, darunter der WWF, versuchen derzeit, neue Parks im Kongobecken zu errichten. Sie machen sich nicht die Mühe so zu tun, als ob sie die Zustimmung der indigenen Völker haben, denen der Wald gehört. Sie haben sie auch natürlich nicht. Dass der NKP postuliert, der WWF würde die Baka bezüglich ihres Landes „unterstützen“, ist Unsinn.

© Survival International

Die Arbeit des WWF bedroht die Existenz der Baka als indigenes Volk. Das klingt wie etwas, dass verurteilt werden sollte, und so soll es auch klingen: Die Baka sind fast gänzlich enteignet worden. Einige von ihnen, einschließlich Kinder, wurden in schweren Alkoholmissbrauch getrieben. Ihre Gesundheit verschlechtert sich rapide. Sie werden von Parkwächtern geschlagen, gefoltert und sogar getötet; Parkwächter, die vom WWF unterstützt werden. Aber ihr Dilemma scheint den NKP ungerührt zu lassen: Das Einzige, was er „verurteilt“ (bei weitem das stärkste Wort im Abschlussbericht), ist Survivals „ungenaue Schilderung der Mediation“ und unsere „Verletzung der Vertraulichkeit“. Auf der anderen Seite „verurteilt“ der NKP die Verstöße gegen die OECD-Leitsätze nicht, die er eigentlich fördern soll. Der NKP gibt nicht einmal zu, dass durch den WWF Verstöße aufgetreten sind.

Als wir beim NKP nachfragten, was genau an unserer Schilderung der Mediation „ungenau“ war, wurde auf ein Beispiel verwiesen. Der NKP glaubte, dass die Tatsache, dass er die Beschwerde überhaupt angenommen hatte, meine Aussage aus einem anderen Artikel widerlegen würde, der zufolge „Regierungen keine Beschwerden über Flaggschiff-NGOs wollen, die sie selbst finanzieren“. Ich denke ich hätte sagen sollen, dass sie Beschwerden über solche NGOs nicht untersuchen wollen, zumindest nicht richtig.

Der NKP empfiehlt nur, dass der WWF „sich engagieren“ solle, um dabei zu helfen, Baka-„Zustimmungsprozesse“ zu gewährleisten. Er gibt keine Erläuterung dessen, wie solche „Prozesse“ aussehen könnten, und schlägt lediglich vor, dass dazu auch gehört „die Regierung zu drängen, FPIC-Informationen (2) zu veröffentlichen“. Das ist weitere leere Rhetorik. Der WWF hat Verpflichtungen. Sie sind in den OECD-Leitsätzen enthalten, die der NKP fördern soll, sowie in verschiedenen UN-Erklärungen, in der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker und sogar in den eigenen Regelsätzen des WWF. Die Naturschutzorganisation soll sich von Landraub distanzieren, also keine Territorien und Ressourcen ohne die Einwilligung der Menschen vereinnahmen. Der WWF soll sicherstellen, dass die indigenen Völker zuerst zugestimmt haben, wie ihr Land verwaltet werden soll, bevor er Projekte auf diesem Land beginnt. Der WWF soll verhindern, dass die Parkwächter, die er finanziert, ausrüstet und ausbildet, Menschen misshandeln.

Der WWF zitiert ständig seine eigenen Grundsätze (die ohne Frage exzellent sind), um Kritiker zurückzuweisen. Aber hinter verschlossener Tür beschreibt er sie dem NKP und Survival International nur als „ehrgeizige Ziele“. Im wirklichen Leben sind es keine Grundsätze sondern bloß ein PR-Tool, das ignoriert wird. Es gibt heute sogar Bergbauunternehmen, die mehr für die Einhaltung ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen tun.

Wer kontrolliert die Kontrollstellen?

Es sollte Grund zu ernster Sorge sein, dass der WWF die OECD-Leitsätze bricht und das Volk der Baka zerstört. Aber für Einrichtungen wie den NKP – die existieren, um diese Richtlinien zu fördern – ist es eine zusätzliche Schande den WWF damit durchkommen zu lassen. Wenn der NKP als Wärter agiert, wer zieht ihn dann zur Rechenschaft, wenn er seine Arbeit nicht korrekt verrichtet?

In der Tat gibt es ein Konsortium von NGOs und Unternehmen, das zu diesem Zweck gegründet wurde. Es ist die holländische „OECD Watch“; unsere Tragödie verwandelt sich aber von George Orwell zu Lewis Carroll mit der Erkenntnis, dass der WWF dort selbst Mitglied ist!

Mit anderen Worten soll der WWF beobachten, ob die verschiedenen Stellen (die NKP) der OECD-Länder ihre Arbeit zur Förderung der OECD-Leitsätze korrekt leisten, die er selbst bricht. Zweifelsohne können sich alle Parteien selbst von ihrer moralischen Haltung überzeugen, aber es ist eine Tragödie für jene indigenen Völker, an deren Zerstörung der WWF beteiligt war. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie sich Regierung und große Naturschutzorganisationen gegenseitig zum Nachteil der Machtlosen unterstützen.

Wenn man davon ausgeht, dass die OECD-Leitsätze einen Fortschritt für die Menschenrechte darstellen, und wenn sie sowohl von denen, die ihnen unterworfen sind, als auch von denen, die mit ihrer Förderung betraut sind, auf so leichtfertige Weise behandelt werden können, dann ist das ein Schritt von liliputanischem Ausmaß.

So sehr das auch technisch und legalistisch klingen mag, es könnte nicht wichtiger für die Tausenden von Indigenen sein, die von der dominanten Naturschutzideologie zerstört werden. Die Tatsache, dass diese „Festung Naturschutz“, die auf kolonialen Vorstellungen von leerer „Wildnis“ basiert, auch der Umwelt nicht hilft, ist noch eine andere Angelegenheit.

Survival wird weiterhin den WWF dazu drängen, sich an seine eigenen Regeln zu halten und die Rechte der Baka nicht weiter zu verletzen. Wir werden auch weiterhin diejenigen bitten, die sich um die Umwelt kümmern, sich für ein anderes Naturschutzmodel einzusetzen. Und zwar eines, das indigene Völker als die besten Hüter der Umwelt akzeptiert und respektiert. Sie mögen nicht perfekt sein, aber die Beweise zeigen, dass sie viel bessere Arbeit leisten als Organisationen wie der WWF.


(1) „Die Festung Naturschutz“, die indigene Völker misshandelt und sie von ihrem Land vertreibt, ist heute die Norm in Afrika und Indien, so wie sie es einst in den USA war, als die Indigenen von ihrem Territorium verjagt wurden, um Amerikas berühmte Nationalparks zu erschaffen.

(2) FPIC – freiwillige, vorherige und informierte Zustimmung

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