Aktion: Stoppe blutige CO2-Geschäfte auf indigenem Land

Schreibe eine E-Mail an Verra, eines der weltweit größten Zertifizierungsunternehmen für CO2-Gutschriften

Schon der erste Nationalpark der Welt, der vor 150 Jahren in den Vereinigten Staaten entstand, wurde von Kolonialist*innen und Eliten geschaffen, die indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften ihr Land stahlen – im Namen des „Naturschutzes“. Daran hat sich wenig geändert: Trotz systematischer und schwerer Menschenrechtsverletzungen in Naturschutzgebieten und ohne stichhaltige Beweise dafür, dass diese Naturschutzgebiete den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten, werden diese auch heute noch von großen Naturschutzverbänden (wie WWF und WCS) als „Lösung“ für unsere sehr realen Umweltprobleme angepriesen.

Unter der harmlos klingenden Bezeichnung „naturbasierte Lösungen“ (Nature-based Solutions – NbS) werden nun Naturschutzgebiete als Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise vorgeschlagen. Es wird behauptet, dass Naturschutzgebiete zur „Kompensation“ von CO2-Emissionen beitragen können, indem sie Gebiete vor Abholzung und anderen klimaschädlichen Aktivitäten „schützen“. In der Praxis bedeutet dies, dass Naturschutzgebiete zur Erzeugung von CO2-Zertifikaten genutzt werden können, die umweltverschmutzende Unternehmen, Regierungen oder Einzelpersonen auf dem freien Markt kaufen können, um ihre Emissionen „auszugleichen“. Theoretisch ist das eine Win-Win-Situation: Je mehr Schutzgebiete, desto mehr wird der Klimawandel eingedämmt. Sowohl die Artenvielfalt als auch das Klima sind gerettet! 

Aber die Realität sieht ganz anders aus.

 

„Diese Leute haben unsere Luft verkauft“ - Emanuel, Angehöriger der Rendille, Kenia

 

Der Verkauf von CO2-Zertifikaten aus Schutzgebieten könnte eine Katastrophe für die Menschen und das Klima werden. Denn in der Praxis vereinen sie das Schlechteste aus beiden Welten: Die Menschenrechtsverletzungen, die durch Naturschutzgebiete im Globalen Süden verursacht werden, verbinden sich mit all den Umweltproblemen, die durch Greenwashing nicht gelöst werden. Diese Kombination ist tödlich.

Blutiges CO2 tötet Menschen: Das gängigste Modell des Naturschutzes im Globalen Süden ist der „Festungsnaturschutz“, der auf dem Ausschluss der indigenen und lokalen Bevölkerung von ihrem Land beruht. Menschenrechtsorganisationen, unabhängige Recherchen und zunehmend auch Regierungsuntersuchungen haben über viele Jahre hinweg eindeutig dokumentiert, wie die Einrichtung von Schutzgebieten, insbesondere in Afrika und Asien, zu einer zunehmenden Militarisierung und Gewalt führt. Die Schutzgebiete werden ohne die Zustimmung der angestammten Bevölkerung – indigene oder lokale Gemeinschaften – eingerichtet. Diese Menschen verlieren ihr angestammtes Land und werden gefoltert, vergewaltigt oder getötet, wenn sie es wagen, ihr Land zu betreten. Naturschutzgebiete zerstören so in vielen Fällen das Leben der besten Hüter*innen der Natur, indigene Völker, auf deren Land 80 % der weltweiten biologischen Vielfalt zu finden ist.

Die Erfahrung zeigt, dass das aus dem Emissionshandel stammende Geld nicht an die Gemeinschaften geht, auf deren Land das CO2 absorbiert oder gespeichert werden soll. Die Entwicklung von CO2-Geschäften in Naturschutzgebieten wird die Finanzkraft der Naturschutzindustrie massiv erhöhen und wahrscheinlich die enorme Ausweitung von Naturschutzgebieten und deren fortschreitende Militarisierung fördern. In der Praxis werden die Gelder, die angeblich für den „Klimaschutz“ bestimmt sind, dazu verwendet, Menschen von ihrem Land in Schutzgebieten zu vertreiben, Ranger*innen zu unterstützen und militärische Ausrüstung zu finanzieren, durch welche Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern begangen werden.

Blutiges CO2 tötet die Umwelt und es kann die Klimakrise sogar noch verschlimmern: Die meisten naturbasierten Lösungen zum Ausgleich von CO2-Emissionen sind reines Greenwashing. Zahlreiche unabhängige Untersuchungen von Kompensationsprojekten, die vorgeben, Wälder oder andere Ökosysteme zu retten, haben gezeigt, dass sie in Wirklichkeit nur sehr wenig oder gar nichts dazu beitragen, CO2-Emissionen zu verhindern oder zusätzlichen Kohlenstoff zu speichern. Die Zertifikate, die aus diesen Projekten stammen, werden durch betrügerische „CO2-Buchhaltung“ geschaffen. Beispielsweise wird behauptet, dass ein Gebiet ohne das CO2-Projekt sehr schnell zerstört worden wäre, während es in Wirklichkeit gar nicht bedroht war. In einer kürzlich durchgeführten wissenschaftlichen Studie wurde festgestellt, dass mehr als 90 % der Kohlenstoff-Gutschriften aus Regenwäldern nicht zur Verringerung des Kohlenstoffausstoßes beitragen. In anderen Fällen führten Projekte, die angeblich die Abholzung in einem Gebiet verhindern sollten, lediglich dazu, dass ebendort keine Bäume abgeholzt wurden und stattdessen an anderer Stelle Bäume gefällt und CO2 freigesetzt wurde, ohne dass dies einen Nutzen für das Klima hatte. Die Zerstörung fand einfach an anderer Stelle statt. Die angestammten Gebiete indigener und lokaler Gemeinschaften sind, wie schon bei der Suche nach Flächen für neue Naturschutzgebiete, die einfachsten Ziele für CO2-Projekte. Dabei werden die Indigenen und ihre Lebensweise selbst ironischerweise oft für die Verschärfung des Klimawandels verantwortlich gemacht wird. Umweltverschmutzende Unternehmen, die „heiße Luft“ aus solchen Projekten kaufen, vermarkten sich als klimaneutral, während sie weiterhin CO2 freisetzen und ihre Emissionen oft kaum reduzieren. Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, dass das Problem gelöst wird, dass ein unveränderter übermäßiger Konsum nicht klimaschädlich sei und keine radikalen Änderungen erforderlich seien. In der Zwischenzeit verschlimmert sich die globale Erwärmung, und Waldbrände sowie Wüstenbildung nehmen zu.  

Blutiges CO2 tötet Gerechtigkeit. Große Umweltschutzorganisationen, die von diesen CO2-Zertifikaten profitieren, arbeiten mit den umweltschädlichsten Unternehmen der Welt zusammen, die diese Zertifikate nutzen, um ihre Emissionen nicht reduzieren zu müssen. Auf internationalen Druck hin wurde in den letzten Jahren ein Großteil der öffentlichen Gelder, die in die Naturschutzindustrie fließen, genauer unter die Lupe genommen. Neue gesetzliche Regeln in den Vereinigten Staaten sollen verhindern, dass mit Steuergeldern Menschenrechtsverletzungen in Naturschutzgebieten im Globalen Süden finanziert werden. Gelder, die aus CO2-Projekten stammen, fallen jedoch nicht unter diese neuen gesetzlichen Standards. Dies wird es der Naturschutzindustrie ermöglichen, die Rechte der indigenen Völker und der lokalen Gemeinschaften – die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind – weiterhin zu missbrauchen.

 

„Die Natur wird zur Ware gemacht. Das Wasser wird jetzt verkauft, ebenso wie der Wald, die Luft und die Erde“ – Ninawa Huni Kui, Angehöriger der Huni Kui, Brasilien

 

Emissionsgutschriften sind Teil eines neuen Vorstoßes zur Kommerzialisierung der Natur. Diese Projekte hängen ein Preisschild an die Umwelt, indem sie das Land indigener und lokaler Gemeinschaften als (frei verfügbaren) CO2-Speicher behandeln, der auf dem Markt getauscht werden kann. Damit können Umweltsünder*innen weiterhin den Planeten schädigen, die Naturschutzindustrie Milliarden von Dollar einnehmen und Spekulant*innen vom CO2-Handel profitieren. Auf diese Weise werden indigene Völker und lokale Gemeinschaften enteignet und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Naturbasierte Lösungen sind Kohlenstoff-Kolonialismus und werden die Klimakrise nicht aufhalten.

Survival setzt sich dafür ein, dass blutige CO2-Geschäfte in Naturschutzgebieten, bei denen die Rechte indigener Völker verletzt werden, ein Ende haben.

Hilf uns, blutiges CO2 auf indigenem Land zu stoppen, denn Kohlenstoff-Kolonialismus tötet die Menschen und den Planeten.

Der beste Weg, unseren Planeten zu schützen, ist die Anerkennung und Achtung der Landrechte indigener Völker.

Aktion: Stoppe blutige CO2-Geschäfte auf indigenem Land

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Survival International steht an vorderster Front im Kampf gegen falsche und fehlgeleitete Lösungen für den Klimawandel, die die Rechte indigener Völker verletzen und es multinationalen Konzernen erlauben, ihr Image zu beschönigen, während sie nichts tun, um die Klimakrise zu stoppen. Wir wehren uns auch gegen den Abbau von Nickel in Indonesien für Elektroauto-Batterien, der das Leben und das Land der unkontaktierten Hongana Manyawa zerstören wird.

Blutige CO2-Projekte:

Northern Rangelands Trust:


 

Im Norden Kenias hat eine Organisation namens Northern Rangelands Trust (NRT) unter dem Vorwand, eine neue Art von „Schutzgebieten“ einzurichten, die Kontrolle über Millionen von Hektar Land übernommen. Dieses Land wird von zahlreichen indigenen Hirtenvölkern wie den Samburu, Borana und Rendille bewohnt. Der NRT geht auf die Initiative von Ian Craig zurück, dessen eigene Ranch – die heute ein „Schutzgebiet“ für reiche Tourist*innen ist – in einem Gebiet liegt, das den Hirtenvölkern gestohlen wurde. Dieses Land wurde seiner Familie, deren Beziehungen zur britischen Königsfamilie gut dokumentiert sind, von der früheren Kolonialverwaltung überlassen.

In seinem Projekt für CO2-Zertifikate, dass 2013 mit Hilfe der US-amerikanischen Naturschutzorganisation Nature Conservancy gestarteten wurde, behauptet NRT, Millionen zusätzlicher Tonnen CO2 im Boden zu speichern. Der NRT gibt an, die Hirt*innen von der „Überweidung“ abzuhalten und ihnen zu helfen, „nachhaltig“ zu weiden, so dass die Vegetation wachsen und mehr CO2 gespeichert werden kann. Die daraus resultierenden CO2-Zertifikate wurden an große Unternehmen wie Meta (ehemals Facebook) und Netflix verkauft.

In Wirklichkeit weiden die Hirt*innen aber schon seit Generationen auf nachhaltige Weise. Die neuen, durch das Projekt erzwungenen Weidepraktiken sind vermutlich schlechter als die traditionelle Weidehaltung. Es gibt keine Beweise dafür, dass zusätzliches CO2 gespeichert wird; vielmehr hängt das Projekt davon ab, dass die enge Beziehung zwischen den indigenen Gemeinschaften, ihren Herden und der Umwelt zerstört wird: Dieselbe Beziehung, die es ihnen ermöglicht hat, in der an Wildtieren reichen Weidelandschaft zu gedeihen und sie zu formen und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Die bewaffneten Ranger*inner des NRT, die in den Schutzgebieten patrouillieren, schränken die Weideflächen der Hirtenvölker ein, was ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels untergräbt. Die Ranger*innen waren bereits für Dutzende von schweren Menschenrechtsverletzungen, darunter Mord, verantwortlich. Die Gemeinden haben dem CO2-Projekt nie zugestimmt. Die Millionen von Dollar, die bereits durch den Verkauf von Emissionsgutschriften eingenommen wurden, werden dazu verwendet, die Kontrolle des NRT über das Gebiet zu verstärken – auf Kosten Zehntausender Indigener, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind. 

 

Aktion: Stoppe blutige CO2-Geschäfte auf indigenem Land

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Lies hier den ganzen Bericht zum NRT und den blutigen CO2-Geschäften (in Deutsch und Englisch).

Hier findest du einen Artikel von Gatu wa Mbaria.

Weiterführende Informationen:


Videostatements von Indigenen aus Survivals Reihe „Tribal Voice“:

„Das Hauptproblem, das wir indigenen Völker sehen, ist, dass die Natur zur Ware wird."
„Sie schikanieren uns und sagen: 'Dieses Land gehört euch nicht mehr'.“
„NRT macht die falschen Dinge – Dinge, die ich für ungerecht gegenüber unserem Volk halte.“

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