Am 18. April 2024 heißt es: #DecolonizeUNESCO

 

Seit 1983 lädt die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) jedes Jahr am 18. April zum Internationalen Tag der Denkmäler und Stätten ein, der auch als Weltkulturerbetag bekannt ist. Auch wenn die Sensibilisierung für den Erhalt unseres gemeinsamen menschlichen Erbes eine positive Idee zu sein scheint, sieht die Realität in vielen Welterbestätten ganz anders aus.

In vielen dieser Stätten kommt es vor aller Augen zu schrecklichen Misshandlungen, die von der UNESCO geduldet und manchmal sogar unterstützt werden. Allzu oft sind die so genannten „Weltnaturerbestätten“ Kriegsgebiete für indigene Völker, deren lebenswichtige Rolle bei der Erhaltung und Pflege dieser Gebiete geleugnet und oft rücksichtslos unterdrückt wird. Sie werden geschlagen, vergewaltigt, missbraucht und sogar getötet, wenn sie versuchen, ihr angestammtes Land zu betreten. Und das alles im Namen des „Naturschutzes“.

Mindestens ein Drittel der 227 Stätten, die im Rahmen der UNESCO-Welterbekonvention von 1972 zum Weltnaturerbe erklärt wurden, „liegen ganz oder teilweise in den angestammten Gebieten indigener Völker und sind von großer Bedeutung für deren Lebensunterhalt und ihr spirituelles, soziales und kulturelles Wohlergehen.” Doch statt als die besten Hüter*innen ihrer Gebiete gefeiert zu werden, zahlen die indigenen Völker einen bitteren Preis dafür, dass sie die schönsten und wichtigsten Landschaften unserer Welt gestalten und bewohnen.

An diesem Weltkulturerbetag fordern wir die UNESCO auf, ihre Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen zu beenden, Stätten von ihrer Liste zu streichen, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden, und auf die indigenen Völker zu hören, die die besten Hüter*innen der natürlichen Welt sind.

Einleitung

Die UNESCO hat eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des sogenannten Festungsnaturschutzes gespielt, zunächst in Afrika, insbesondere nach dem Ende der Kolonialherrschaft. In den Jahren nach der Unabhängigkeit der neuen afrikanischen Staaten spielte die UNESCO eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Idee, dass die afrikanische Natur durch das Eingreifen von „Expert*innen“ – hauptsächlich ehemaligen Kolonialbeamten – und die Anwendung westlicher Wissenschaft sowie durch die Einrichtung von Nationalparks, die die ursprünglichen Bewohner*innen ausschließen, gerettet werden müsse.

Der erste Direktor der UNESCO, Julian Huxley – später einer der Gründer des WWF – bezeichnete die afrikanische Bevölkerung ausdrücklich als Hindernis für den Naturschutz und beklagte die „Tendenz, die unmittelbaren Bedürfnisse der afrikanischen Stämme auf Kosten einer langfristigen Planung zu befriedigen“. Er schrieb, dass „die meisten afrikanischen Stämme wilde Tiere entweder als Schädlinge betrachten, die vernichtet werden müssen, oder einfach als Fleisch, das getötet und gegessen werden kann“. Die Lösung der UNESCO bestand darin, die afrikanischen Staaten bei der Einrichtung von Nationalparks zu unterstützen, die eingezäunt werden sollten, um „Stammesangehörige auf der Suche nach Feuerholz“ fernzuhalten, und in denen die Wildtiere vor der Zerstörung durch die Afrikaner*innen bewahrt und zur Freude der Tourist*innen gepflegt werden könnten.

In den Jahren nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten wurden daher unter dem Einfluss der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (IUCN) in Zusammenarbeit mit der UNESCO viele Schutzgebiete auf dem Land indigener Völker und ohne deren Zustimmung eingerichtet.

Die Idee, dass afrikanische Staaten ihre „natürlichen“ Landschaften mit Hilfe westlichen Know-hows zum Vergnügen der Tourist*innen abgrenzen müssen, hat dank der Idee des Welterbes einen neuen Schub auf der globalen Bühne bekommen. Mit diesem Konzept stellt die UNESCO die Ökosysteme, die von indigenen Völkern gestaltet und bewohnt wurden, unter die Vormundschaft einer allgemeinen „Menschheit“.

1972 wurde das Konzept des Welterbes und die Idee einer Stiftung, die für die Erhaltung dieses Welterbes verantwortlich ist, auf der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm vorgestellt. Mit der Verabschiedung des „Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ durch die Generalkonferenz der UNESCO wurde das Konzept dann Realität. Mit dem Übereinkommen will die UNESCO „die Ermittlung, den Schutz und die Erhaltung des Kultur- und Naturerbes in der ganzen Welt fördern, das für die Menschheit von außergewöhnlichem Wert ist“. UNESCO fügt hinzu, dass „das Besondere am Konzept des Welterbes seine universelle Anwendung ist. Welterbestätten gehören allen Völkern der Welt, unabhängig von dem Gebiet, in dem sie sich befinden“. Die Konvention erwähnt weder indigenes Wissen noch indigene Verwaltung der Gebiete, geschweige denn indigene Landrechte. In der Definition des Begriffs „Naturerbe“ werden weder die Menschen erwähnt, die diese Landschaften geformt, geschaffen und gepflegt haben, noch der soziale oder spirituelle Wert, den sie für indigene Völker haben. Der Wert dieser Orte wird nur unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaft, des Naturschutzes oder der natürlichen Schönheit beschrieben.

Die IUCN und UNESCO selbst erkannten im Laufe der Zeit, dass Naturschutz als unvereinbar mit den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung angesehen wurde, und förderten in den frühen 1980er Jahren das Konzept der „Community Conservation“, eines Naturschutzes mit Gemeinden. In den folgenden Jahrzehnten haben sie ihre Politiken, Leitlinien und Standpunkte aktualisiert, um angeblich die „Konsultation“ oder „Beteiligung“ indigener „Partner“ zu fordern. Doch wie unsere Beispiele zeigen, hat sich dadurch vor Ort nichts geändert: Die Rhetorik ist gemeinschaftsorientiert geworden, während die Praxis gemeinschaftsfeindlich geblieben ist.

Seit ihren Anfängen bis heute sind die Weltnaturerbestätten höchst problematisch geblieben. Koloniale und rassistische Vorstellungen von der Notwendigkeit, die „wilde Natur“ vor den „bösen Einheimischen“ zu schützen – die von den Schöpfer*innen des Welterbekonzepts zeitweise explizit geäußert wurden und implizit in den UNESCO-Konventionen und -Vereinbarungen, die den Rahmen für das Welterbe bilden, enthalten sind, – haben immer wieder sehr konkrete Formen angenommen, wie z.B. Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen gegenüber der indigenen und lokalen Bevölkerung, deren Land zum Welterbe wurde.

Diese Verstöße haben zu häufigen Anfechtungen der UNESCO-Welterbestätten auf indigenem Land geführt - durch Gemeinschaften, indigene Organisationen, Survival, UN-Sonderberichterstatter und andere. Doch die Reaktion der UNESCO ist skandalös schwach und sie hat ihren Kurs nicht geändert. Für viele lokale Bewohner*innen ist es nur allzu offensichtlich, dass ihr Land, wenn es zum Welterbe ernannt wird, so behandelt wird, als gehöre es nicht ihnen, sondern „allen Völkern der Welt“ – und vor allem den zahlenden Tourist*innen. Sobald ein Ort für seinen „außergewöhnlichen Wert für die gesamte Menschheit“ ausgezeichnet wurde, erhalten Regierungen und Naturschutzorganisationen grünes Licht und in einigen Fällen klare Aufforderungen, die lokalen Bewohner*innen fernzuhalten – und sie für die Zerstörung einer „natürlichen“ Umwelt verantwortlich zu machen, die sie in Wirklichkeit genährt und mitgestaltet haben.

Staaten sind sehr daran interessiert, dass ihre Landschaften und Denkmäler in die berühmte Liste der UNESCO aufgenommen werden – es bringt ihnen internationales Ansehen und Unterstützung, Werbung, Tourist*innen und Geld, einschließlich des Zugangs zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten. Für die Menschen, deren Gebiete zum Weltnaturerbe erklärt werden, ist dies jedoch kein Grund zur Freude.

Recherchen, bei denen Survival unterschiedliche indigene Gemeinschaften in Afrika und Asien besucht hat, haben wiederholt Fälle von Folter, Vergewaltigung und Tötung indigener Völker in und um Weltnaturerbestätten festgestellt. Hinter der Schönheit dieser herausragenden Naturstätten werden genau jene Menschen, deren Beitrag zur Menschheit wir anerkennen sollten, vertrieben und gewaltsam misshandelt, um Platz für unsere falschen Phantasien von „Wildnis“ zu schaffen. Die UNESCO trägt eine große Verantwortung dafür: Aufgrund ihrer Vergangenheit; weil sie weiterhin die koloniale Erzählung fortgesetzt, die indigene Gebiete als „leere Natur“ („natürliche“ Stätten) darstellt, die vor ihren eigenen Bewohner*innen geschützt werden müssen; und sie unterstützt weiterhin Regierungen, die im Namen des Schutzes des „Welterbes“ töten.

Wenn es eine Lektion zu lernen gibt, wie man die Schönheiten unserer Welt mit der gesamten Menschheit teilt, dann wird diese Lektion von den indigenen Völkern erteilt, deren Lebensweise auf Nachhaltigkeit und der Versorgung künftiger Generationen beruht. Sie sind die besten Hüter*innen der natürlichen Welt, und ihre Rechte müssen respektiert werden. Wir fordern UNESCO auf, Festungsnaturschutz nicht länger zu unterstützen und Orte, an denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden, von der Liste des Welterbes zu streichen. Dies würde ein wichtiger Schritt zur Dekolonisierung der Institution UNESCO selbst sein.

Erfahre hier mehr über einige der Welterbestätten und warum UNESCO sich gegen Festungsnaturschutz einsetzen muss.

 

Kaeng Krachan Forest Complex, Thailand

 

Dass das KKFC ein Welterbe geworden ist, ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte.”, Karen-Mann, anonym.

Der Kaeng Krachan Forest Complex (KKFC) wurde 2021 unter den „natürlichen Kriterien“ – als „bedeutender natürlicher Lebensraum für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt“ – zum Welterbe ernannt. Er ist das Zuhause des indigenen Volkes der Karen, das dort seit Generationen Wanderfeldbau betreibt.

Es gibt eine lange Geschichte von Menschenrechtsverletzungen im KKFC, darunter brutale Vertreibungen, das Abbrennen von Karen-Dörfern, zahlreiche Verhaftungen und der Mord an dem Karen-Aktivisten Pholachi „Billy“ Rakchongcharoen im Jahr 2014. Den Karen ist es untersagt, innerhalb des Welterbes Wanderfeldbau zu betreiben, die für ihre Lebensweise grundlegend ist. Sie sagen, dass es ohne ihr Land „die Karen nicht mehr geben wird“.

Das Welterbekomitee ernannte das KKFC zum Welterbe, obwohl es sich der Missstände wohl bewusst war. Im Jahr 2021, vor einer Sitzung des Welterbekomitees in China, drücken einige Karen aus KKFC ihre Einwände aus, und drei UN-Sonderberichterstatter*innen forderten die UNESCO auf, die Entscheidung zu verschieben, bis die Menschenrechtsbedenken ausgeräumt sind. Doch sämtliche Bitten wurden ignoriert.

Die Karen haben Survival berichtet, dass sich der Kaeng Krachan-Nationalpark aufgrund der Erklärung zum Weltnaturerbe ausgeweitet hat, was zu einer Zunahme von Schikanen und Verhaftungen sowie zu einer Verschärfung der Einschränkungen geführt hat. Sie sagen, dass der Welterbestatus dazu geführt hat, dass die Versuche, alle aus dem Wald zu vertreiben, „schlimmer geworden sind“. Sie dürfen nicht einmal mehr Pilze sammeln.

Ein Karen-Mann sagte: „Das Welterbestätten-Personal sieht nur den Wald und die Tiere, nicht aber die Menschen. Aber die Menschen gehören dazu. Sie sehen uns nicht, es ist eine Art Blindheit“. Ein anderer fügte noch direkter hinzu: „Dass das KKFC ein Welterbe geworden ist, ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte.“

Sieh dir an, wie Kampu, ein Karen-Jugendlicher, dessen Dorfgemeinschaft tief aus dem Kaeng-Krachan-Nationalpark vertrieben wurde, erklärt, wie sich die Lage verschlechtert hat, seit der Park zum Welterbe erklärt wurde.

Lies den Brief, den die im Kaeng-Krachan-Nationalpark lebenden Karen an die UNESCO geschrieben haben und in dem sie darauf hinweisen, dass die Ernennung zum Welterbe ihre Probleme noch verschärft hat.

 

Nationalpark Kaziranga, Indien

 

Die Waldhüter schossen plötzlich auf mich.”, Akash Orang, ein siebenjähriger indigener Junge, der 2015 von Rangern in die Beine geschossen wurde.

Der Kaziranga-Nationalpark im Nordosten Indiens gehört seit 1985 zum UNESCO-Weltnaturerbe. Seitdem ist er berüchtigt für brutale außergerichtliche Tötungen, Folter und willkürliche Verhaftungen sowie Ranger, die bei Sichtkontakt und straffrei auf Menschen schießen dürfen. Es ist das Zuhause der Mising- und Karbi-Völker sowie anderer indigener Völker, die zur Arbeit auf den Teeplantagen in das Gebiet gebracht wurden und vor Ort als „Tea Tribes” bekannt sind.

Zwischen 1990 und 2016 haben Ranger 144 Menschen im Park getötet, darunter einen schwerbehinderten indigenen Mann. 

Im Jahr 2016 wurde Akash Orang, ein siebenjähriger indigener Junge, von Rangern in die Beine geschossen, als er auf dem Weg zu einem örtlichen Geschäft war. Er sagte der BBC: „Die Waldhüter schossen plötzlich auf mich.“ Er erlitt lebensverändernde Verletzungen und ist für immer verstümmelt.

Obwohl offiziell geleugnet wurde, dass bei Sichtkontakt auf Menschen im Park geschossen wird, wird in einem Bericht des Parkdirektors aus dem Jahr 2014 eine Schulungsmaxime beschrieben: „Erlaube niemals unbefugten Zutritt – töte die Unerwünschten.“

Weit davon entfernt, sich über die außergerichtlichen Tötungen in Kaziranga zu beunruhigen, lobte das UNESCO-Welterbezentrum in seinem Bericht über den Zustand des Naturschutzes 2011 eine Mitteilung der Regierung, in der erklärt wurde, dass Rangern Straffreiheit gewährt wird, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeit von Schusswaffen Gebrauch machen. UNESCO bezeichnete dies als „wichtigen Schritt zur Verhinderung von Wilderei und zur Stärkung der Arbeitsmoral“.

Nachdem Survival und lokale Organisationen die Tötungen im Jahr 2016 aufgedeckt hatten und das Vorgehen der Parkwächter*innen daraufhin genauer unter die Lupe genommen wurde, ist sowohl die Zahl der außergerichtlichen Tötungen als auch die Zahl der gewilderten Nashörner drastisch zurückgegangen. Doch die indigenen Völker, die in der Nähe des Parks leben, werden immer noch schikaniert und dürfen ihr angestammtes Land nicht mehr betreten. Ein Mising-Mann erklärt: „Heute könnten wir nicht einmal mehr einen Stock aus dem Wald mitnehmen. Wir gehen nicht einmal dorthin, aber sie versuchen trotzdem, die Leute fälschlicherweise in Fälle zu verwickeln und sie zu foltern.“

Schau dir diese kurze Dokumentation (in Englisch) über die Vertreibung der indigenen Bevölkerung und die erschreckenden Menschenrechtsverletzungen im Welterbe Kaziranga an.

 

Nationalpark Chitwan, Nepal

 

Raj Kumars größtes Verbrechen war, dass er seine Familie nicht verhungern lassen wollte und sich auf der Suche nach Nahrung in den Regenwald begab”, Mutter von Raj Kumar, einem Chepang-Jugendlichen, der 2021 von Wachleuten im Chitwan-Nationalpark zu Tode geprügelt wurde.

Der Chitwan-Nationalpark wurde 1984 zum Weltnaturerbe erklärt. Er ist die Heimat der Tharu, Chepang, Bote und anderer indigener Völker, die ihren Wald über Generationen hinweg schützten, bevor sie aus dem Park vertrieben wurden. Die Tharu verehren den Tiger und haben eine besondere Beziehung zu vielen Tieren, darunter auch Elefanten, von denen sie sagen, dass sie nur die Sprache der Tharu verstehen.

Die indigenen Gemeinschaften in Chitwan haben sehr unter der Existenz des Parks gelitten. Im Namen des Naturschutzes wurden sie gewaltsam vertrieben, geschlagen, gefoltert und sogar getötet. Im Jahr 2006 wurde Shikharam Chaudhary, ein älterer Tharu-Mann, von den Rangern des Parks gefoltert und zu Tode geprügelt. Die Autopsie ergab, dass er sieben gebrochene Rippen sowie blaue Flecken und Blutergüsse am ganzen Körper hatte. Drei Parkangestellte, darunter der oberste Aufseher, wurden verhaftet und des Mordes angeklagt. Doch unter dem Druck von Naturschutzorganisationen, darunter des WWFs, ließ die nepalesische Regierung die Verfahren fallen.

Im Jahr 2020 wurde Raj Kumar, ein junger Mann der Chepang-Indigenen, von Soldaten zu Tode geprügelt, nachdem er mit Freunden im Park Schnecken gesammelt hatte. Seine Mutter sagte: „Raj Kumars größtes Verbrechen war, dass er seine Familie nicht verhungern lassen wollte und sich auf der Suche nach Nahrung in den Regenwald begab.“

Im selben Jahr brannten die Parkbehörden und Militär im Rahmen einer Vertreibung von den wenigen im Welterbe verbliebenen Menschen Chepang-Häuser nieder und zerstörten andere, so dass zehn Familien während des Monsuns obdachlos wurden.

Tharu-Anführer schrieben im Jahr 2020: „Wenn die Menschen die Gemeinschaften stärken wollen, dann müssen sie unsere Rechte auf unser Land anerkennen und uns unseren Wald selbst bewirtschaften und schützen lassen. Wir werden einen besseren Job machen, als die Regierung und die NGOs!“

 

Der Tharu-Aktivist Birendra Mahato erklärt, wie die Tharu Opfer des Chitwan-Nationalparks wurden.

 

Ngorongoro Conservation Area, Tansania

 

Die Unterstützung der UNESCO wird genutzt, um uns zu vertreiben. Wir sind sehr krank und verwirrt, wir wissen nicht, wann wir sterben werden”, Maasai-Anführer, Ngorongoro Conservation Area.

Das Ngorongoro-Schutzgebiet (NCA), das an den Serengeti-Nationalpark grenzt, wurde 1959 als Gebiet mit Mischnutzung eingerichtet, in dem Wildtiere zusammen mit halbnomadischen Maasai-Hirt*innen leben. Seit seiner Gründung haben Naturschützer*innen jedoch immer wieder behauptet, dass die Wildtiere im NCA aufgrund des „Bevölkerungsdrucks“ in Gefahr seien: zu viele Maasai und zu viele Rinder.

Das Narrativ von „zu vielen“ hat sich über die Jahrzehnte gehalten und ist nun das Herzstück der Rechtfertigung der tansanischen Regierung für die Vertreibung der Maasai aus dem NCA. Maasai haben von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Schlägen, einer Militarisierung der NCA und der unrechtmäßigen Beschlagnahmung ihres Viehs berichtet. Die Regierung hat auch die Sozial- und Gesundheitsdienste in der NCA gekürzt, um die Maasai zur „Umsiedlung“ zu zwingen. Dies hat Berichten zufolge zum Tod von mindestens einer schwangeren Frau und zu fehlender HIV-Behandlung geführt, was vermeidbare Übertragungen auf Neugeborene zur Folge hatte.

Ein Massai-Mann sagte gegenüber Survival: „Wir wissen nicht mehr, was sie uns noch alles antun wollen.“

Die UNESCO hat bei der Legitimierung dieses Landraubs eine zentrale Rolle gespielt. Das Ngorongoro-Schutzgebiet wurde erstmals 1979 in die Liste des UNESCO-Naturerbes aufgenommen. Es ist auch Teil des Serengeti-Ngorongoro-Biosphärenreservats, das 1981 im Rahmen des UNESCO-Programms Mensch und Biosphäre geschaffen wurde. Im Jahr 2010 wurde die Einschreibung als gemischtes Natur- und Kulturerbe erweitert.

Die Anerkennung des „kulturellen Erbes“ der Stättte hat jedoch nicht zu einer Anerkennung der Massai und ihrer Rechte geführt. Das Gegenteil ist der Fall. Während selbst die tansanische Regierung in ihrem Antrag auf Anerkennung als Welterbe die „herausragende Bedeutung der Maasai für den effektiven Naturschutz“ anführte, erwähnte die UNESCO dies in ihrer Entscheidung nicht. Stattdessen betonte sie, dass „ein weiteres Wachstum der Maasai-Bevölkerung und der Anzahl der Rinder im Rahmen der Kapazität der Stätte bleiben sollte“.

Es war nicht das erste oder letzte Mal, dass UNESCO Stimmung gegen die Maasai machte. Zuvor hatte sie erklärt, dass sie die derzeitige Maasai-Bevölkerung als weit über die „Kapazität des Reservats“ hinausgehend ansieht, und gedroht, dass der Status des Gebiets als UNESCO-Stätte „gefährdet ist, wenn nicht dringend etwas unternommen wird“. In einem Bericht der tansanischen Regierung aus dem Jahr 2019 wurde die Position der UNESCO dahingehend zusammengefasst, dass sie die Mischnutzung im Schutzgebiet grundlegend ablehnt und die Umsiedlung der Maasai unterstützt, wobei nur einige Strukturen für den „Kulturtourismus“ erhalten bleiben sollten.

Ein Maasai-Experte erklärte zur Beteiligung der UNESCO, dass „bei all dem vergessen wird, dass es sich um die Heimat der indigenen Maasai, Barabaig und Hadzabe, handelt ... [Infolgedessen] werden die indigenen Völker in der NCA mit neuen Verwaltungsprioritäten konfrontiert, die darauf abzielen, die sogenannten ‘herausragenden universellen Werte’ zu schützen.” Die Maasai haben die UNESCO zudem dafür kritisiert, dass sie das NCA ohne ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) zum Welterbe ernannt hat und dass sie einen Ort, an dem es zu Missbrauch und Menschenrechtsverletzungen kommt, überhaupt als „Welterbe” würdigt.

Vertreter*innen der Maasai haben seit Jahren bei verschiedenen UN-Gremien, darunter auch der UNESCO, Berichte über Vertreibungen, Menschenrechtsverletzungen und Schikanen eingereicht und eine Untersuchungsmission gefordert. Als eine solche Mission schließlich im Februar 2024 stattfand, wurden sie nicht offiziell informiert, und die UNESCO-Mission sprach nur mit von der Regierung ernannten Vertreter*innen. Die Mission traf sich nicht mit anerkannten Vertreter*innen der Maasai in der NCA.

Vor dem Hintergrund dieser Menschenrechtsverletzungen haben Maasai-Vertreter*innen die Streichung des Ngorongoro-Gebietes von der Liste des Welterbes gefordert.

 

Höre dir Karani Olenkaisiri an, einen Maasai-Ältesten, der über die Vertreibung der Maasai aus dem Ngorongoro-Schutzgebiet und dem benachbarten Loliondo spricht.

 

Odzala-Kokoua-Nationalpark, Republik Kongo

 

Wir brauchen den Wald. Unsere Kinder kennen die Tiere nicht mehr und auch nicht unsere traditionellen Heilpflanzen. Die Baka leben jetzt am Straßenrand. Es tut mir im Herzen weh, euch das zu sagen. Aber auch der Wald ist ohne die Baka krank.”, Baka-Mann, Odzala-Kokoua-Nationalpark.

Odzala-Kokoua, einer der ältesten Nationalparks Afrikas, wurde 1935 von der französischen Kolonialverwaltung als Odzala-Reservat ausgewiesen und befindet sich auf dem Land des indigenen Jäger- und Sammlervolkes der Baka. Er ist berühmt für die Westlichen Flachlandgorillas und Waldelefanten und umfasst heute 13.867 km2, fast die Hälfte der Fläche Belgiens.

Der Park wird seit 2010 von der Naturschutzorganisation African Parks verwaltet, die einen 25-jährigen Vertrag mit der Regierung der Republik Kongo geschlossen hat. African Parks verfolgt einen militarisierten Ansatz zum Schutz des Parks und ist für weit verbreitete Gewalt gegen das Volk der Baka verantwortlich. Diese sind Gräueltaten ausgesetzt, wenn sie versuchen, ihr Land zu betreten, um zu jagen, um ihre Familien zu ernähren, Heilpflanzen zu sammeln und ihre heiligen Stätten zu besuchen. Die Baka haben Survival berichtet, dass sie in den letzten Jahren unter anderem von Parkrangern misshandelt wurden, die ihnen heißes Wachs auf den Rücken gossen und sie auspeitschten, sie mit Gürteln schlugen, ihre Köpfe in einem Fluss unter Wasser hielten, eine indigene Frau vergewaltigten, während sie ihr zwei Monate altes Baby hielt und einen 18-jährigen Baka-Jungen sexuell missbrauchten.

Abgesehen von der Gewalt bedeutet die Verhinderung des Zugangs der Baka zu ihrem Wald, dass sie nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern auch ihr Identitätsgefühl verlieren. Sie sagen, sie hätten nichts mehr, was sie ihren Kindern über ihre Lebensweise zeigen könnten. Die Existenz der Baka als Volk ist bedroht.

Odzala erhielt 1977 den Status eines UNESCO-Biosphärenreservats, und das gesamte Odzala-Kokoua-Waldmassiv wurde im September 2023 in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes aufgenommen, obwohl die weit verbreiteten Gräueltaten im und um den Nationalpark bekannt sind.

In dem von der kongolesischen Regierung eingereichten Dokument zur Nominierung von Odzala-Kokoua als Weltnaturerbe wurde anerkannt, dass in der Umgebung des Parks viele verschiedene Völker leben, die für ihren Lebensunterhalt auf den Wald des Parks angewiesen sind. Im Jahr 2022 forderte die UNESCO die kongolesische Regierung auf, sich mit den Menschen vor Ort über die Verwaltung des Parks zu beraten, und verschob die Entscheidung über den Welterbestatus. Der endgültige Antrag der kongolesischen Regierung auf Aufnahme in die Liste des Weltnaturerbes im folgenden Jahr unternahm keinen Versuch, dieser Aufforderung nachzukommen. Er entsprach auch nicht den UNESCO-Richtlinien für indigene Völker, die seit 2019 in Kraft sind: Die Regierungen „konsultieren und kooperieren in gutem Glauben mit den betroffenen indigenen Völkern [...], um ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung einzuholen, bevor sie ihre Stätten in ihre Vorschlagsliste aufnehmen“. In einer „technischen Prüfung“ des Vorschlags durch die IUCN wurde sogar in Frage gestellt, welche Schritte im Einklang mit den UNESCO-Leitlinien unternommen wurden, um die Zustimmung der indigenen Völker des Gebiets einzuholen. Trotzdem wurden in der Entscheidung des Welterbekomitees, Odzala als „natürliches“ Welterbe zu akzeptieren und in die Liste aufzunehmen, keine Bedenken hinsichtlich der indigenen Bevölkerung geäußert.

Höre Eyaya Nivrel zu, einem Baka-Mann, der sich gegen die Leitung von African Parks wendet und über die Vertreibungen, die Gewalt und die Folter spricht, denen die Baka ausgesetzt sind.

 

Kahuzi-Biega-Nationalpark, Demokratische Republik Kongo

 

Wir leben im Wald. Wenn sie uns begegnen, vergewaltigen sie uns. Diejenigen von uns, die sterben werden, werden sterben, aber der Wald ist der Ort, an dem wir bleiben werden.”, Eine Batwa-Frau, die bei einem Angriff von Parkwächtern und Soldaten im Juli 2021 vergewaltigt wurde.

Der 1970 gegründete Kahuzi-Biega-Nationalpark wurde 1980 zum Weltkulturerbe erklärt. Das indigene Volk der Batwa, das in diesem Gebiet lebte, wurde in den 1970er Jahren von seinem angestammten Land vertrieben, um Platz für den Nationalpark zu schaffen. Die Vertreibung des einst autarken Batwa-Volkes führte zu jahrzehntelanger landloser Armut, schwerer Diskriminierung und einer extrem hohen Sterblichkeitsrate, da sie gezwungen waren, in informelle Vertreibungsgebiete in der Nähe des Parks zu ziehen.

Nach zahlreichen gebrochenen Versprechen von Wiedergutmachung und Gerechtigkeit kehrten 2018 mehrere Batwa-Gemeinschaften auf ihr angestammtes Land im Park zurück, weil sie glaubten, dies sei der einzige Weg, ihrem Elend zu entkommen. Dies löste eine Welle der Gewalt gegen sie aus, die 2019 begann, als die Parkbehörden mit Unterstützung der kongolesischen Armee (FARDC) eine Kampagne starteten, um den Wald von den Batwa zu „säubern“. Sie führten mehrere extrem gewalttätige Angriffe auf Batwa-Dörfer durch, bei denen es zu zahlreichen gut dokumentierten Gräueltaten kam. Jüngste Berichte belegen, dass diese Gewalt immer noch andauert.

Im Jahr 2022 dokumentierte ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Minority Rights Group (MRG), dass bei diesen Angriffen Dutzende von Batwa-Frauen mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt, mindestens zwanzig Batwa getötet und mehrere Batwa, darunter auch Kinder, lebendig verbrannt wurden. Batwa-Leichen wurden verstümmelt, und Hunderte von Batwa wurden in aufeinanderfolgenden Angriffswellen vertrieben, oft wiederholt. Laut MRG waren diese Angriffe „Teil einer institutionellen Politik, die von der Parkleitung auf höchster Ebene sanktioniert und geplant wurde“.

Das Welterbekomitee forderte vor, während und nach den jüngsten Gewaltausbrüchen die Regierung auf, die „Abhängigkeit der lokalen Gemeinschaften von den Ressourcen des Parks“ zu verringern, und verlangte von der Regierung, „die Bekämpfung der Wilderei zu verstärken und die gemeinsamen Patrouillen mit der [FARDC] fortzusetzen“, „den Umfang und die Häufigkeit der Patrouillen zu erhöhen“, „die illegalen Besetzer zu evakuieren“ und „den zunehmenden Druck durch Eindringen auf das Gebiet zu bekämpfen“.

Die UNESCO hat somit das System und die Maßnahmen, die zu extremer Gewalt gegen die Batwa führten, nicht nur legitimiert, sondern auch gefördert.

Während die französische Regierung ihre Pläne zur Finanzierung des Parks unter Berufung auf Menschenrechtsbedenken gestrichen hat, erhält der Park weiterhin Mittel aus Deutschland und den Vereinigten Staaten sowie von der Naturschutzorganisation Wildlife Conservation Society (WCS), die den Park nun mitverwaltet. MRG berichtete auch, dass diese Geldgeber*innen den Park trotz der weit verbreiteten Beweise für schwere Gewalt gegen die Batwa weiterhin finanziell und materiell unterstützt haben.

Höre Julien Basimika zu, einem Batwa-Aktivisten, der über die Gewalt, Einschüchterungen und Verhaftungen berichtet, denen die Batwa ausgesetzt sind, seit sie brutal aus dem Kahuzi-Biega-Nationalpark vertrieben wurde.

 

Fazit

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass indigene Völker die besten Hüter*innen der natürlichen Welt sind. Weltweit sind 80 % der biologischen Vielfalt in ihren Gebieten zu finden. Viele der berühmtesten „Naturräume“ und Landschaften der Welt, darunter auch Welterbestätten, sind in Wirklichkeit das angestammte Zuhause von Millionen indigener Menschen, die sie seit Jahrtausenden geformt haben, von ihnen abhängig sind und sie pflegen und schützen. Das Konzept der „Wildnis“ im Sinne einer vom Menschen unberührten Natur ist ein kolonialer Mythos – das Land wurde als leer dargestellt, damit es erobert werden konnte. Ein weiterer Mythos ist, dass nur die westliche Wissenschaft und ihre „Expert*innen“ diese Gebiete erfolgreich managen können.

Im Laufe der Jahre hat die UNESCO dazu beigetragen, diese gefährlichen Mythen und ihre offensichtlichen Folgen zu verstärken: Die Rolle der indigenen Völker im Naturschutz wird geleugnet, unsichtbar gemacht und versteckt, und sie werden von Parkwächter*innen vertrieben, vergewaltigt, gefoltert und getötet, wenn sie versuchen, ihr angestammtes Land zu betreten. 

In vielen Fällen trägt die UNESCO eine klare Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen, wenn sie Regierungen ermutigt hat, so genannte Naturlandschaften vor den dort lebenden Menschen zu „schützen“. Zu lange wurde die UNESCO auf den Preis aufmerksam gemacht, den die lokale Bevölkerung in den von ihr unterstützten Welterbestätten zahlt. Viel zu lange hat sie zu den Missständen geschwiegen.

Das Schweigen der UNESCO ist Mittäterschaft. Es ist an der Zeit, dass sich UNESCO dekolonisiert und sich für die Menschenrechte einsetzt, indem sie Stätten von ihrer Liste streicht, in denen Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Dies wäre ein deutliches Signal an Regierungen und Naturschutzorganisationen, die diese Verstöße unterstützen und finanzieren.

Es gibt einen einfachen Weg, die biologische Vielfalt zu schützen: die Anerkennung der Rechte indigener Völker. Deshalb sollte die UNESCO ein Naturschutzmodell fördern, das auf den Landrechten indigener Völker beruht. Alles andere wäre nicht nur Verrat an den Menschen, die von diesem „Naturschutz“ betroffen sind, sondern auch an den grundlegenden Zielen und Aufgaben der UNESCO selbst.

 

 

UNESCO fördert ein Naturschutzmodell, das indigene Völker, – die besten Verbündeten der Umwelt, – schädigt, ausgrenzt und zerstört. Es hat seine Wurzeln in kolonialer Gewalt und rassistischem Irrglauben. Während indigene Völker vertrieben und ihre Lebensweise kriminalisiert wird, werden Tourist*innen willkommen geheißen.

Seit über 30 Jahren kämpft Survival gegen die Gräueltaten, die im Namen „Naturschutzes“ begangen werden.

Schließe dich uns jetzt an, um den Naturschutz zu dekolonisieren und für einen neuen Ansatz einzutreten, bei dem indigene Völker und ihre Rechte im Mittelpunkt stehen. Sie waren die Expert*innen für Naturschutz, lange bevor das Wort „Naturschutz“ überhaupt erfunden wurde. #DecolonizeConservation

 

 

Hilf uns, die Mitwirkung der UNESCO an Menschenrechtsverletzungen zu stoppen

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