Brasilien: Nicht kontaktierter Stamm steht vor Ausrottung

16 Mai 2005

Diese Seite wurde 2005 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

„Zusehen zu müssen, wie ein Volk ausgerottet wird, ohne dass es auch nur Gelegenheit hat sich zu wehren, ist ein Skandal." FUNAI-Feldarbeiter

Ein kleiner, nicht kontaktierter Indianerstamm tief im Amazonas-Regenwald ist auf der Flucht vor den Kettensägen und Bulldozern. Die Holzfäller dringen in ihre Heimat im Wald ein, und die Indianer meiden jeden Kontakt mit Fremden. Sie kämpfen ums nackte Überleben. Wenn nicht schnellstens Maßnahmen zu ihrem Schutz und zum Schutz ihres Landes vor dieser Invasion ergriffen werden, werden sie für immer verschwinden. Es kann nicht geleugnet werden, dass es sich hier um einen Völkermord handelt.

Über den gewöhnlich als Rio-Pardo-Indianer bezeichneten Stamm, der an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Mato Grosso und Amazonas lebt, ist nur wenig bekannt. Möglicherweise handelt es sich um die letzten Überlebenden ihres Volkes, oder vielleicht sind sie verwandt mit einem der zahlreichen Nachbarstämme, von denen sie „baixinhos" (die kleinen Menschen) oder „cabeças vermelhas" (die Rotköpfe) genannt werden. Seit den Achtziger Jahren werden sie immer häufiger gesichtet, und Gerüchte häufen sich. Die Arara-Indianer der Gegend berichten, sie in der Nacht bei ihren Dörfern Tierlaute nachahmen gehört zu haben. Siedler und Bergarbeiter sind auf ihre verlassenen Häuser gestoßen. Dem Regierungsministerium für Indianerangelegenheiten, FUNAI, liegt erschreckendes Beweismaterial vor, das darauf schließen lässt, dass schwer bewaffnete Holzfäller Jagd auf die Indianer machen. Ein Feldarbeiter erklärte gegenüber Survival: „Die Holzfäller werden die Indianer ausrotten. Sie erschießen sie einfach."

1998 schickte FUNAI ein Team in die Gegend, das in den Folgejahren mehrere verlassene Dörfer aufgefunden hat. Im vorigen Jahr wurden Stahlmacheten und Messer mitgenommen, die FUNAI für die Indianer hinterlassen hatte.

Alles deutet darauf hin, dass die Indianer ständig in Bewegung sind. Ihre verlassenen malocas (Gemeinschaftshäuser) enthalten wesentliche Gebrauchsgegenstände: Pfeile, Körbe mit Nüssen und Hängematten aus Pflanzenfasern. Man hat an Flüssen Fußspuren gefunden, wo Früchte und Nüsse in Körben zum Einweichen aufgestellt worden sind. Spuren von Anpflanzungen gibt es nicht, was darauf hinweist, dass die Indianer ihren Lebensunterhalt während des ständigen Umherziehens nur durch Jagen und Sammeln bestreiten. Man befürchtet, dass unter einem solchen andauernden Druck die Frauen keine Kinder mehr bekommen werden, was die Überlebenschancen des Stammes weiter verringern würde.

Im Mai 2001 erwirkte FUNAI eine gesetzliche Verfügung, die den Zugang zu dem „Indigenes Gebiet Rio Pardo" genannten Gebiet untersagt. Das bedeutete die Einplanung eines Gebietes von 166000 h für die Indianer, solange FUNAI damit beschäftigt ist, ihre Aufenthaltsorte und Anzahl herauszufinden. Trotzdem strömen Holzfäller, Bodenspekulanten und Siedler in das Gebiet, und der Druck auf das Land der Indianer wird größer. Eine Gruppe von Holz verarbeitenden Unternehmen haben schon mehrmals die Aufhebung der gesetzlichen Verfügung zum Schutz des Gebietes durchgesetzt. Nun haben sie die Gelegenheit ergriffen, eine Straße sowie Wege in das Rio-Pardo-Gebiet zu bauen, und der Besitz eines Unternehmens befindet sich sogar vollständig im Schutzgebiet. Wenn die Holzfäller den Wald erst einmal abgeholzt haben, übernehmen die Viehzüchter das Land und machen Sojafelder oder Viehweiden daraus. Die Straßen der Holzfäller erleichtern auch den Zugang für die Siedler und Bodenspekulanten.

In diesem Wettlauf gegen die Zeit hat FUNAI beschlossen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als Kontakt mit dem Stamm aufzunehmen, der jetzt von allen Seiten mit Gewalt und Krankheiten konfrontiert ist, gegen die er keine Abwehrkräfte hat. Allerdings haben die Holzfirmen im März vor Gericht wieder die Aufhebung der Schutzverfügung von FUNAI erwirkt. Jetzt gibt es überhaupt keinen Schutz für die Indianer. Sydney Possuelo, der Leiter der Abteilung für nicht kontaktierte Indianer bei FUNAI, sagt: „Die Indianer werden ausgerottet werden, wenn wir nicht sofort handeln." Die brasilianischen Gerichte und die Regierung müssen auf der Einhaltung der Verfassung bestehen, die den indigenen Völkern ihre Landrechte garantiert, und müssen das Gebiet schnellstens festlegen und ratifizieren.

Wenn die brasilianischen Behörden es nicht fertigbringen, die Rio-Pardo-Indianer zu schützen und die Holzfäller aufzuhalten, wird ein weiterer brasilianischer Stamm bald nur noch der Geschichte angehören. Die Ausrottung eines ganzen Stammes, auch wenn er sehr klein ist, stellt klar einen Völkermord dar.

Bitte schicken Sie einen höflichen Brief an den brasilianischen Justizminister:

Ich bin verwundert und bestürzt, dass ein brasilianisches Gericht FUNAIs Verfügung 447/2001 zum Schutz des Indigenen Gebietes Rio Pardo im Bundesstaat Mato Grosso widerrufen hat. Die dort lebenden, nicht kontaktierten Indianer stehen vor der Ausrottung, da die Holz verarbeitende Industrie jetzt freie Hand hat, in ihr Land einzudringen. Wir bitten Sie dringend, FUNAIs Verfügung wieder in Kraft zu setzen und alles nur mögliche zum Schutz des Gebietes zu unternehmen. Auch FUNAIs Abteilung für nicht kontaktierte Indianer selbst glaubt, die Indianer werden einfach ausgerottet werden, wenn die Regierung und die Gerichte nicht sofort handeln, und damit wird ein weiterer brasilianischer Stamm nur noch der Geschichte angehören.

Márcio Thomáz Bastos    
Ministro da Justiça    
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Esplanada dos Ministérios    
Bloco T    
70064-900    
Brasilia DF    
Brazil    

Fax: 55 61 224 2448/ 322 6817 /224 0954    
E-mail: [email protected]

und wenn möglich ebenfalls an:


Dr Mércio Pereira Gomes    
President
FUNAI        
SEP Quadra 702 Sul    
Edificio Lex,
Bl A,  3º andar    
70390-025    
Brasília DF    
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Fax: +55 61 226 8782
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