Brüssel: Bilder des Fotografen Jimmy Nelson vor Ausstellung in der Kritik

31 Oktober 2014

Der kontroverse Bildband ‚Before they pass away’ des Fotografen Jimmy Nelson wird von Angehörigen indigener Völker weltweit kritisiert. © Jimmy Nelson/teNeues

Diese Seite wurde 2014 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Ungeachtet der heftigen Kritik von indigenen Gemeinden und Organisationen wie Survival International wird am 7. November in der Young Gallery in Brüssel die umstrittene Ausstellung des Fotografen Jimmy Nelson eröffnen. Nelson wird vorgeworfen, in seinen Aufnahmen ein falsches und schädigendes Bild von indigenen Völkern zu zeichnen.

Nixiwaka Yawanawá aus dem brasilianischen Bundestaat Acre, der kürzlich vor Nelsons Ausstellung in London protestierte, sagte: „Als Indigener fühle ich mich von Jimmy Nelsons Arbeit Before They Pass Away beleidigt. Es ist unverschämt! Wir scheiden nicht einfach dahin, sondern kämpfen um unser Überleben. Die industrialisierte Gesellschaft versucht uns im Namen des ‚Fortschritts’ zu zerstören, aber wir werden unser Land weiterhin verteidigen und zum Schutz des Planeten beitragen.“

Während Nelson behauptet, seine Arbeit sei ein „ethnografischer Fakt“, kritisiert Survivals Direktor Stephen Corry sie als fotografische Fantasie, die wenig damit gemein hat, wie die fotografierten Personen aussehen oder jemals ausgesehen haben.

Nelson porträtiert Waorani-Mädchen bekleidet mit einem ‚Feigenblatt’. © Jimmy Nelson/teNeues

Die Fotos von Waorani-Mädchen in Ecuador beispielsweise zeigen sie entkleidet und lediglich mit „Feigenblättern” bedeckt, die ihre Scham schützen sollen, obwohl kontaktierte Waorani normalerweise Kleidung tragen. Auch frühere Generationen von Waorani-Frauen trugen nie „Feigenblätter“, sondern eine einfache Taillenschnur.

Nelsons Motiven wird unterstellt, dass sie „dahinscheiden” würden, doch die genozidale Gewalt, der sie ausgesetzt sind, wird nicht erwähnt.

Dani aus West-Papua werden fälschlicherweise als „Papuas gefürchtestes Kopfjäger-Volk“ bezeichnet, aber von den Tötungen, der Folter und Einschüchterung, unter denen sie seit der indonesischen Besetzung 1963 leiden, ist keine Rede.

Der Papua-Gemeindeführer Benny Wenda sagte: „Was Jimmy Nelson über uns sagt, ist nicht wahr. Meine Leute, die Dani, sind nie Kopfjäger gewesen, das war noch nie unsere Tradition. Der wahre Kopfjäger ist das indonesische Militär, das meine Leute getötet hat. Meine Leute sind immer noch stark und wir kämpfen für unsere Freiheit. Wir ‚scheiden nicht dahin’, wir werden von brutalen indonesischen Soldaten getötet. Das ist die Wahrheit.”

Indigene aus Nordamerika und Neuseeland haben Nelsons Arbeit ebenfalls entschieden kritisiert. Ein Maori-Blogger schrieb: „Die Maori sind kein Teil einer sterbenden Art, und für ein Buch müssen wir auch nicht so dargestellt werden”. Die Cowlitz-Indigene Elissa Washuta schrieb bei Salon: „Nelsons Mission basiert auf der grauenvollen Annahme, dass indigene Völker kurz vor dem Aussterben stünden. Er hätte sich nicht mehr irren können.”

Nixiwaka Yawanawá protestierte gegen Jimmy Nelsons ‚unverschämte’ Ausstellung in der London Atlas Gallery und trug dafür seinen zeremoniellen Kopfschmuck. © Sophie Pinchetti/Survival

Davi Kopenawa, Sprecher der brasilianischen Yanomami und bekannt als „Dalai Lama des Regenwaldes”, sagte vor Kurzem während seines Besuches in London: „Ich sah die Fotos und ich mochte sie nicht. Dieser Mann will den Bildern nur seine eigenen Ideen aufzwängen, um sie in Büchern zu veröffentlichen und sie jedem zu zeigen, damit die Leute denken, er sei ein guter Fotograf. Genau wie [Napoleon] Chagnon macht er mit Indigenen einfach, was er will. Es ist nicht wahr, dass indigene Völker kurz vor dem Aussterben stehen. Wir werden noch für eine lange Zeit unser Land verteidigen, in dieser Welt leben und weiterhin Kinder hervorbringen.”

Hinweis an die Redaktion:

Lesen Sie im bei Truthout den kritischen Artikel über Jimmy Nelsons Arbeit von Survivals Direktor Stephen Corry. (auf Englisch)

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