Survivals ‘gefährliche’ und ‘selbstzerstörerische’ ‘Lüge’

14 Februar 2013

Jared Diamonds Buch ist in die Kritik geraten, weil es behauptet, dass die meisten indigenen Völker in ständigem Kriegszustand leben. © Survival International

Diese Seite wurde 2013 erstellt und enthält möglicherweise Formulierungen, die wir heute nicht mehr verwenden würden.

Am 4. Februar 2013 gab der Autor Jared Diamond der BBC ein Fernsehinterview zu seinem neuen Buch Vermächtnis. Obwohl er im Interview die Kritik der Menschenrechtsorganisation Survival International an dem Buch ablehnte, war er nicht bereit, mit einem Survival-Vertreter seine Behauptungen zu debattieren. Er hat auch eine Vielzahl anderer Interviews gegeben. Wir haben einige seiner Punkte aufgegriffen, um darauf zu reagieren.

  • Diamond: „Es gibt Anthropologen und Menschen, die sich traditionellen Gesellschaften verschrieben haben, die die unschönen und traurigen Dinge an ihnen leugnen wollen.“

Survival: Wer sind diese Anthropologen, die angeblich die „unschönen“ Dinge an indigenen Gesellschaften leugnen? Wo in Survivals Materialien taucht derartiges Leugnen auf? Survival hat unter anderem explizit anerkannt, dass einige indigene Völker manchmal Kindstötung praktizieren.

  • Diamond: „Es gibt viele Wissenschaftler, die die Häufigkeit von Gewalt in Dutzenden traditionellen Gesellschaften und Dutzenden staatlichen Gesellschaften gemessen haben. Ihre universelle Schlussfolgerung ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Todes in traditionellen Gesellschaften durchschnittlich etwa 10 Mal höher ist, als in staatlichen Gesellschaften."

Survival: Dies ist keine „universelle Schlussfolgerung“. Diamonds These ruht vielmehr auf der Arbeit einer kleinen Anzahl von Akademikern: Robert Keeley, Samuel Bowles, Steven LeBlanc und ein paar weitere. Viele andere, wie John Chapman, Jonathan Haas, Douglas P. Fry, Nick Thorpe sowie John und Patricia Carman, um nur einige zu nennen, teilen diese Ansicht nicht.

In seinem neuen Buch sagt Jared Diamond, dass die Yanomami präemptiven Verrat 'praktizieren'. © Fiona Watson/Survival

  • Diamond: „Das universelle Ergebnis, nun, das Ergebnis ist, dass dort, wo es europäischen Kontakt gibt … langfristig das Niveau von Gewalt [in ’traditionellen Gesellschaften’] fast immer fällt.“

Survival: Dies übergeht schlichtweg die katastrophalen Effekte, die die europäische Kolonisation für indigene Völker weltweit hatte. Es ignoriert zudem die tragisch lange Liste von indigenen Völkern, die dadurch ausgerottet wurden. Angesichts dieses gut dokumentierten Genozids zu behaupten, dass Kontakt mit Europäern das Niveau von Gewalt unter Indigenen senkt, ruft Erinnerungen an die koloniale Rechtfertigung der „Befriedung der Wilden“ herauf: Dass es „uns“ braucht, um „ihnen“ Frieden zu bringen.

  • Diamond: „Sie basieren ihre Politik auf Lügen. Anstelle direkt zu sagen, dass es moralisch unrecht ist indigene Völker zu misshandeln, sagen sie, man sollte indigene Völker nicht misshandeln, weil sie gewalttätig sind [wahrscheinlich meinte er, nicht gewalttätig’]. Aber leider sind sie gewalttätig. Und wenn man also seine Politik auf etwas Falschem aufbaut, muss die Wahrheit rauskommen.“

Survival: Wo in Survivals Material sind diese “Lügen“ und wo behaupten wir, dass indigene Völker aus dem Grund nicht misshandelt werden sollen, dass sie nicht gewalttätig sind?

Diamond sagt, dass staatliche Intervention indigenen Völkern zugute kommt. Er erwähnt jedoch nicht, dass mindestens 100.000 Papua durch Indonesien getötet wurden. © Survival International

  • Diamond: „Survival International hat seine Behauptungen nicht auf dem starken moralischen Argument aufgebaut, sondern auf der Behauptung, dass traditionelle Menschen nicht gewalttätig sind … Was wirklich gefährlich ist, ist die Position von Survival International, weil sie ein falsches Argument anführt, um mein eigenes Ziel voranzubringen. Und deshalb bin ich vor allem über diese selbstzerstörerische Politik von Survival International betrübt.“

Survival: Wir haben niemals behauptet, dass indigene Völker nicht gewalttätig sind. Diamond sagt explizit, dass (1) die meisten indigenen Völker in einem Zustand ständigen Krieges leben, (2) dass sie gewalttätiger sind als wir, und (3) dass staatliche Intervention ihnen zugute kommt.

Wir sagen, dass (1) sicher niemals belegt werden kann, unsere Erfahrungen diese Behauptung nicht unterstützen, und dass viele Experten nicht mit Diamond einverstanden sind. Wir sehen keine Hinweise, die (2) wirklich untermauern, nur einige die so arrangiert sind, um dies scheinbar zu tun. Wir glauben, dass (3) schlichtweg falsch und das Gegenteil der Fall ist.

Wir sind bestürzt, dass Jared Diamond dieses Thema nicht mit uns diskutieren möchte, weil wir denken seine Argumente sind falsch und müssen herausgefordert werden – was wir weiterhin tun werden.

Hinweis an die Redaktion:
Vor wenigen Tagen veröffentlichte Survival International eine Kritik an Jared Diamonds Buch. Auch Angehörige indigener Papua haben Diamond aufgefordert, sich zu entschuldigen.

Yanomami
Indigenes Volk

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